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Detail aus Übersee, 2020

Übermalungen

Die Übermalungen sind seit 2012 ein fester Bestandteil im Gesamtwerk des Berliner Künstlers Peer Kriesel.In dieser Werkreihe nutzt der Künstler „gestaltete“ Printprodukte als Maluntergünde, die in ihrer ursprünglichen Funktion ausgedient haben. Dabei verwendet er unterschiedlichste Materialien, von entwerteten Fahrkarten, Eintrittskarten, Einladungen zu Ausstellungseröffnungen, über Postkarten, Atlaskarten bis hin zu großformatigen Seekarten.

Peer Kriesel faszinieren diese ausgedienten Dokumente der Zeitgeschichte, die in einer Zeit der digitalen Transformation und einer digitalen Gesellschaft immer seltener werden und uns als eine Art Spiegel bezüglich Werten und Identität dienen können.

Übersee, Aquarell/Acryl/Pigmenttinte auf Papier (übermalte Seekarte von 1978), 73cm × 103cm, 2020

Die meisten Materialien haben zum Zeitpunkt der Übermalung keinen reellen Wert mehr. Dennoch sind sie aufgeladen mit Geschichten aus ihrem Vorleben. Jede Fahrt hatte einen Anlass, jeder Kinobesuch, jede Reise hinterlässt eine Erinnerung, die in den Fahrkarten, Eintrittskarten oder Boarding-Tickets aus Papier und Pappe gespeichert sind.

Und trotzdem werden sie weniger. Anstelle von Eintrittskarten und Flugtickets aus Papier verwenden wir QR-Codes und digitale Wallets. Anstelle von nur wenigen sehr konzentrierten Erinnerungsfotos sammeln wir Massen an digitalen Schnappschüssen auf unseren Smartphones und Rechnern. Es werden selten noch analoge handgeschriebene Post- oder Grußkarten verschickt. Stattdessen sind es zusammenkopierte WhatsApp-Nachrichten.
Zum Schluss sind es so viele Daten, dass wir sie gar nicht mehr überblicken.

Neben der Erinnerung, die diese haptischen Fundstücke aus Papier in sich tragen, geht auch immer mehr Originalität verloren.
So sind die Übermalungen stark inspiriert durch das Zeitalter der Digitalisierung.
Es geht um Werte, die Beschleunigung der Kommunikation, die Veränderung der Wahrnehmung und den inflationären Konsum von Kunst und Medien.

Je mehr Leben und Vorgeschichte in den Objekten steckt, desto interessanter sind diese für Peer Kriesel. Gestaltungselemente, Aufdrucke und verwischte, teilweise verblasste Stempelfarbe sowie Flecken und Risse dienen dem Künstler dabei als Inspirationsquelle.

Just Air, Aquarell/Pigmenttinte auf Papier, 48cm × 26cm, 2020

Just Air, Aquarell/Pigmenttinte auf Papier, 48cm × 26cm, 2020

1849, Übermalung (BVG-Karte)
Aquarell/Acryl/Pigmenttinte auf Papier, 7,5cm × 6cm, 2022

Fahrkarten

Die ersten übermalten Fahrkarten entstanden 2012/2013 und stellen damit die ersten Werke der Werkreihe der Übermalungen dar. Den Anfang machten die Fahrkarten der Berliner Verkehrsgesellschaft BVG und S-Bahn-Tickets, aber auch andere Fahrscheine wurden im Laufe der Jahre zum Maluntergrund.

Der kurzzeitige Wert, den diese Tickets besitzen, fasziniert Peer Kriesel. Vom Kauf der Fahrkarte am Automaten bis zur „Entwertung“ sind es doch meist nur ein paar Meter. Und trotz des offenkundig wertlos gewordenen Objekts ist dieses aufgeladen mit einer bestimmten „Reise“, einer Fahrt, einem Ziel. Manifestiert wird der Zeit- und Startpunkt dieser Reise noch ganz analog per Stempel.

Gestaltungselemente des Fahrscheins, die wohl kaum wahrgenommen werden, wie Hologramme, Ornamente und die auf Berliner Fahrscheinen einzigartigen Seriennummern, dienen dem Künstler als Inspirationsquelle.

Durch die Übermalung des eigentlich nach der Fahrt wertlosen Stück Papiers erfährt es in einem neuen Kontext eine Aufwertung. Die Fahrt wird so zu einem alleinstehenden Objekt der Erinnerung. Sie ist nicht digital gespeichert in einer Historie von Fahrten. Sie ist das Gegenteil des flüchtigen QR-Codes.

Durch die Digitalisierung werden diese analogen Fahrkarten und andere Erinnerungen in Papierform wie Eintritts- und Einladungskarten sowie Boardingtickets etc. immer mehr aus unserem Leben verschwinden.

Postkarten

Neben den Fahrkarten bilden die übermalten Postkarten eine eigene Serie innerhalb dieser Werkreihe.

Alte Post- und Grußkarten üben eine große Faszination auf den Künstler Peer Kriesel aus.
Die handgeschriebene Postkarte ist der Inbegriff und Ausdruck einer Wertschätzung, die im digitalen Zeitalter mit Copy and Paste immer mehr verloren geht.

Während eine Postkarte damals ein wichtiges Kommunikationsmittel darstellte, als es das Telefon noch nicht in jedem Haushalt gab, ist sie in Zeiten von Messengerdiensten wie z.B. WhatsApp eine Seltenheit geworden.

Die persönliche Adressierung einer Postkarte mit einer persönlichen handgeschriebenen Nachricht des Absenders berührt im Übrigen so viele Punkte der gegenwärtigen Diskussion über Datenschutz, Anonymität und Identität sowie Originalität.

Strippenzieher, Aquarell/Acryl/Pigmenttinte auf Papier (Postkarte)
14cm × 9,5cm, 2022

Mandel, Übermalung aus der Risque-Serie, Aquarell/Pigmenttinte auf Papier (Foto), 14cm × 8,5cm, 2020

Risque Serie

Die übermalten Akt- und Erotik-Fotos der Risque-Serie stellen eine eigene kleine Serie innerhalb der Reihe der Übermalungen dar.

Wie der Zugang zu erotischen Inhalten im Laufe der Zeit immer einfacher wurde, so wurden auch die Möglichkeiten der Produktion und Veröffentlichung immer einfacher und umfangreicher. Die Digitalisierung und das Internet beschleunigten dies um ein Vielfaches.
Während heute viele unterschiedliche Online-Plattformen mit User-generierten Gratis-Erotik-Inhalten konkurrieren, die frei verfügbar sind, stellte es damals ein großes Wagnis dar, an erotische Bilder zu gelangen oder diese herzustellen oder zu veröffentlichen.

Dabei wirken heute diese teilweise skurril inszenierten Akt-Fotos von damals vielfach eher naiv, fast witzig, und harmlos.

Die Risque-Serie thematisiert auch stellvertretend für andere Bereiche die enorme Veränderung im Zugang zu fragwürdigen bis hin zu gefährlichen Inhalten im Laufe der Zeit und die Rolle des Internets und der Digitalisierung dabei.

Viking Bank, Aquarell/Acryl/Pigmenttinte auf Papier (übermalte Seekarte von 1966), 74cm × 108cm, 2020

Seekarten & Atlaskarten

Die übermalten See- und Atlas-Karten sowie Stadtpläne sind 2020 in der Werkreihe des Berliner Künstlers Peer Kriesel hinzugekommen. Die für den Künstler typischen Übermalungen werden so mit den Seekarten erstmals großformatig, sodass die filigranen und detailreichen Gebilde zu einem schier unendlichen Gewimmel werden.

Der Künstler übermalt alte – oftmals sehr seltene – Karten mit Aquarell- und Acrylfarbe sowie Pigment-Fineliner. So kommt es zu einer scheinbar unwiderruflichen Veränderung des Mediums Karte, zugleich aber wird das Objekt zur Kunst erhoben. Die alten (ausgedienten) und im Zeitalter von Google Maps nahezu anachronistisch erscheinenden Karten werden so wieder zu neuem Leben erweckt. Die Kartendarstellung mit ihren Landschaften und Daten, ihr Vorleben und die Zeit, aus der sie stammt, dient als Inspirationsquelle für Neues: Für ein unergründliches Universum an Fratzen, Fabelwesen und Figuren, die mit feinstem Strich auf Papier gezeichnet werden. Ufer- und Landesgrenzen lösen sich auf.

Sinnbildlich befassen sich die Werke der Kartenübermalungen mit der Orientierung in einem Zeitalter des Überflusses an Daten, Einflüssen, Eindrücken und Botschaften, die unstrukturiert heutzutage so nicht mehr zu erfassen und einzuordnen sind.

Die Begegnung, Aquarell/Acryl/Pigmenttinte auf Papier, 54cm × 44cm, 2021

Vorteil, Achim-Serie, Aquarell/Pigmenttinte auf Papier (Karte) und Schnur, 8,3cm × 14,4cm, 2020

Deine Mutti, Achim-Serie, Aquarell/Pigmenttinte auf Papier, ca. 15cm × 10cm, 2019

Achim-Serie

Zu dieser Werkreihe zählen Übermalungen alter Postkarten, Schriftstücke und Papiere des Ur-Onkels von Peer Kriesel, Achim.

Sie erzählen eine persönliche, aber auch vergessene Geschichte – auf alten ästhetisch spannenden Unter- und Hintergründen entstehen im Kontrast neue Figuren und eine Welt aus der heutigen Zeit.

Neben alten Postkarten aus der Familie sind die Papiere und Untergründe auch aus einer Zeit der Kriegsgefangenschaft während und nach des 2. Weltkriegs.

Hierbei sind vor allem die Art der Kommunikation und die Gefühle von Interesse, die in dieser Zeit damit zusammenhängen. Hoffnung, wann man endlich freikommt, Ängste um Angehörige und das alles analog per Feldpost, die wochenlang unterwegs war und es heute eh wie ein Wunder erscheint, dass diese den Empfänger erreicht hat. Antworten dauerten dann ebenso lange und waren auf kleinen Postkarten auch nur so kurz wie heutige Twitternachrichten.

Diese in der Anzahl stark begrenzten und rein analogen Fundstücke, von Fotos unbekannter Vorfahren und Familienmitglieder, über heute belanglos erscheinende handschriftlich verfasste Listen, bis hin zu offensichtlich wichtigen Dokumenten wie Zeugnissen oder Ausweisen spiegeln das gesamte Leben eines Mannes wider.

Clothing And Equipment Record, Achim-Serie, Aquarell/Pigmenttinte auf Papier, ca. 18cm × 32cm, 2019

Werke aus dieser Werkreihe

Versuchung Glück

Nach dem Diner

Goldene Zeiten

Unabhängigkeit

Exercise Area

Clothing And Equipment Record

Schweizer Irrfahrt

Bitte Please

Räuberleiter

Gruß aus Berlin

La République

Strippenzieher

Beste Wünsche

Salut, salut!

Liegender Akt

Hinter der Vase

Guten Morgen!

Prisoner of war

Sches-Theater

Was ist Freiheit?

Die Begegnung

Terrain terrible

Aus der Isolation

Eine Frage der Ehre

Der Anfang vom Ende

Hier Und Jetzt